Jahresbericht 2018

«Schwierig ist für mich, wenn ich einem selbständigen Landwirt mitteilen muss, dass er acht Wochen lang nicht in den Stall darf.»

Dr. med. Itai Pasternak arbeitet seit dem 1. Februar 2018 als Leitender Arzt Handchirurgie im Spital Muri und ist mit dem Aufbau des Fachbereichs Handchirurgie betraut. Wir möchten von Dr. Itai Pasternak wissen, wie er sein erstes Jahr als Handchirurg in Muri erlebt hat und welche Pläne er für die Zukunft verfolgt.

Interview mit
Dr. med. Itai Pasternak,
Leitender Arzt Chirurgie

Was fasziniert Sie an der Handchirurgie besonders?

Mich faszinieren zwei Dinge. Zum einen liegt mir die feinmotorische Arbeit. Die Handchirurgie erfordert sehr viel Sorgfalt und verzeiht nur wenige Fehler. Das gibt mir als Chirurg einen gewissen Ehrgeiz. Das zweite, das mich fasziniert, ist die komplexe Biomechanik. Die gesamten Therapien und Operationen sind sehr funktionell ausgelegt. Das Ziel ist immer, dass die Hand wieder einsatzbereit ist als Werkzeug im Alltag. Zudem ist die Handchirurgie ein relativ breites Gebiet und man hat es mit vielen verschiedenen Krankheitsbildern zu tun. Dazu gehören Unfälle, Infektionen, Durchblutungsstörungen oder rheumatische Krankheitsbilder.

Mit Ihrer Person hat das Freiamt einen eigenen Handspezialisten. Welche Vision verfolgen Sie mit der Handchirurgie im Spital Muri?

Das langfristige Ziel ist, dass wir im Spital Muri innerhalb der Chirurgie eine eigene Unterabteilung Handchirurgie haben, die auch ein Weiterbildungscurriculum anbietet. Das beinhaltet vor allem, dass ich mit weiteren Handchirurginnen und Handchirurgen zusammenarbeiten kann. Ich möchte in zwei Jahren keine «One-Man-Show» mehr sein, sondern in einem Team von drei oder vier Personen arbeiten. Die Handchirurgie erfreut sich bei den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung grosser Beliebtheit. In Muri möchte ich eine Umgebung schaffen, in der man in Ruhe lernen darf und eine klare Schule vermittelt bekommt. Wenn junge Berufskolleginnen und -kollegen nach Muri kommen, sollen sie wissen, dass sie hier das nötige Rüstzeug erhalten.

Wie würden Sie Ihr erstes Jahr in Muri beschreiben?

Als erfolgreich! Das gesamte Team hat mich sehr hilfsbereit und freundschaftlich aufgenommen, insbesondere auch das Personal im Operationssaal und auf den Stationen, das rasch meine «Spezialwünsche» für die Handchirurgie umgesetzt hat. So macht die Arbeit Spass!

Über den Erwartungen war die Entwicklung der Patientenzahlen. Rasch hat sich herumgesprochen, dass das Spital Muri dieses Fachgebiet neu mit eigenem Fachspezialisten anbietet. Mein Kalender wurde rasch voll. Ich sehe zwischen 50 und 60 Patienten pro Woche, die Operationen und die Notfälle nicht mitgerechnet. Gleichzeitig konnte ich bisher die Wartezeiten kurz halten und wir sind im Interdisziplinären Zentrum genügend flexibel. So können auch dringliche Zuweisungen zeitnah bearbeitet werden.

Welches waren die grössten Herausforderungen während des ersten Jahres in Muri?

Der Aufbau ist eine grosse Herausforderung und birgt auch ein gewisses Risiko. Das Ganze steht und fällt mit der Anzahl an Zuweisungen. Mit der TARMED-Revision hatte die Handchirurgie etwas Federn lassen müssen. Die Handchirurgie lebt vor allem von der Menge. Es ist leider nicht mehr so, dass man mit wenigen Eingriffen viel Ertrag generieren kann.

Der Zustand als Alleinverantwortlicher für alle Belange rund um die Handchirurgie fordert einiges an organisatorischem Talent und ein hohes Mass an Flexibilität ab. Ich habe keine Stellvertretung. Das bedeutet, dass ich grundsätzlich immer erste Ansprechperson bin, das läuft dann nicht nach einer definierten Dienstliste.

Gab es auch Höhepunkte?

Es gab vor allem keine Tiefpunkte. Höhepunkt und gleichzeitig auch ein gelungener Abschluss dieses ersten Projektjahrs war, dass der öffentliche Publikumsvortrag zum Thema Handchirurgie vom Dezember den Besucherrekord verbuchen konnte. Das hat mich natürlich persönlich gefreut, aber es hat auch bestätigt, dass wir hier offenbar eine Versorgungslücke gefüllt haben.

Was ist das Schwierigste an Ihrem Beruf?

Das Schwierigste ist das Umsetzen von sehr allgemein gefassten Behandlungsrichtlinien auf den individuellen Fall. Ein berühmter Handchirurg hat mir einen Satz gesagt: «The hand is very much connected to the head.» [Die Hand ist sehr stark mit dem Kopf vernetzt.] Anders gesagt: Die Hand beginnt im Hirn und dazwischen gibt es eine Interaktion. Als Handchirurg habe ich sehr viel mit Psychosozialem zu tun. Schwierig ist für mich, wenn ich zum Beispiel einem selbstständigen Landwirt mitteilen muss, dass er acht Wochen lang nicht in den Stall darf. Die Übermittlung solch schlechter Nachrichten empfinde ich als schwierige Aufgabe, denn für alle Menschen ist die Hand existenziell.

Welchen Beruf wollten Sie als Kind erlernen?

Ich habe hin- und hergewechselt zwischen Architekt, Pilot und Automechaniker. Auf die Idee der Medizin bin ich relativ spät gekommen. Wenn ich mir den Begriff «arbeiten» vorstelle, dann assoziiere ich das mit einer Werkstatt oder mit Landwirtschaft. In diesen Berufen gibt es am Ende ein sehr konkretes Arbeitsergebnis. Irgendwann kam ich dann auf den Arztberuf, weil das für mich persönlich die ideale Kombination aus Handwerk und Intellekt ist.

Haben Sie Tipps, damit unsere Hände lange gesund bleiben?

Bei der Arbeit mit Maschinen sollte man alle Sicherheitsbestimmungen immer und ohne Ausnahme einhalten. Unfälle passieren meistens dann, wenn man «noch schnell vor Feierabend etwas machen möchte». Für gesunde Hände sollte man sich nicht beissen lassen. Das hat langfristig fatale Auswirkungen aufgrund der Bakterien, die eintreten können. Dann gelten zudem die allgemeinen Gesundheitsregeln: Jede Krankheit im Körper wirkt sich auch auf die Hände aus. Sei das ein Blutzuckerproblem, zu hoher Blutdruck, eine schlechte Ernährung oder zu viel Sonnenexposition.

Zum Werdegang von Dr. Itai Pasternak

Dr. Itai Pasternak war vier Jahre als Chirurg im Stadtspital Triemli in Zürich tätig. Anschliessend arbeitete er während fünf Jahren im Spital in Uster und während knapp zwei Jahren als Handchirurg im Kantonsspital Luzern. Danach war er zwei Jahre im Kantonsspital Aarau als Handchirurg tätig.
Dr. Pasternak besitzt die beiden Facharzttitel für Chirurgie und Handchirurgie sowie den europäischen Titel für Handchirurgie (Fellow of the European Board of Hand Surgery).